Verursacht Shibari Schmerzen?

Da die Seile recht dünn sind, vermuten viele Menschen, dass Shibari sich sehr unangenehm anfühlt und immer zwangsweise Schmerzen verursachen muss. Ob dem so ist, schauen wir uns in diesem Blogbeitrag an.

Gefesselt zu werden oder in den Seilen zu hängen tut weh. Das kann durchaus sein. Allerdings ist dies von so vielen Faktoren abhängig, dass es schlicht weg falsch wäre, diese Annahme zu verallgemeinern. Warum möchte ich kurz erläutern. Zunächst einmal ist es sehr stark von der Fesselung abhängig, ob diese als schmerzhaft empfunden wird, oder nicht. Hierbei spielt das Material (z.B. einschneidende, brettharte Seile oder anschmiegsame Seile) genauso eine Rolle wie der Seilduktus des Fesslers (z.B. anschmiegsam und bequem / sehr eng und ruppig), die Art der Fesselung (einfaches Hände zusammen binden oder komplexe Hängung) und die dafür erforderliche Körperhaltung (z.B. bequem auf dem Boden sitzend oder mit dem Rücken überdehnt nach hinten).

 

Anspruch und Vorerfahrung

Einige Fesselungen sind natürlich anspruchsvoller als andere. Es gibt jedoch genügend Fesselfiguren, welche mit einem Minimum an Anspruch an den Gefesselten auskommen und als verhältnismäßig bequem von den meisten Menschen empfunden werden. Zudem ist es ebenso stark von der gefesselten Person abhängig, wie diese die Fesselung erlebt. Hier spielen generelle Lebenseinstellung, Vorerfahrungen und die Herangehensweise genauso mit rein wie körperliche Aspekte, wozu u.a. die Dehnbarkeit, Beweglichkeit und Statur zählen. Mit einer körperlich schwerere Person kann unter Umständen nicht jede Fesselung und/oder Hängung auf genau dieselbe Weise durchgeführt werden, wie mit einer etwas leichteren – schließlich wirken verstärkte Zugkräfte und die Druckempfindsamkeit der Haut wird stärker beansprucht. Dieselbe Fesselfigur kann also je nach Statur und Körpergewicht der betreffenden Person mehr oder weniger schmerzhaft werden. Ebenso wird eine Hängefigur, bei der z.B. die Beine hinter dem Rücken nach oben gezogen werden, einer weniger gut gedehnten Person schwerer fallen und damit unangenehmer und schmerzhafter sein, als einer aktiv Yoga praktizierenden Person, für die diese Bewegung zum normalen Repertoire des Körpers gehört.

 

Auswirkung von Schmerz

Schmerzen müssen nicht generell als negativ angesehen werden. Es gibt genügend Menschen, die sich bewusst in starke Schmerzerfahrungen hineinbegeben – und dies immer wieder und mit Freude. Warum, fragt man sich da? Eine Erklärung ist: Schmerzen veranlassen den Körper dazu, Endorphine auszuschütten, welche den Schmerz hemmen und zugleich Hochgefühle in uns auslösen können. Aus der eigentlichen Schmerzerfahrung wird eine tiefgehende Körpererfahrung. In einer intensiven Shibari-Session entsteht daher beim passiven Partner eine Mischung von Lust und Schmerz. Beide Empfindungen können, philosophisch betrachtet, als die entscheidenden menschlichen Grenzerfahrungen verstanden werden und die Lebendigkeit menschlicher Existenz in einer besonderen Klarheit erfassbar machen.

Hinzu kommt der Aspekt der Wehrlosigkeit und Immobilität durch das Gefesselt sein– es entspricht der Aufgabe des Willens und dem Verzicht auf die Kontrolle des Geschehens. Genau das ist nach der Philosophin Elisabeth List das wichtigste Merkmal ekstatischer Lustempfindungen: „Der freiwilligen Aufgabe der Ichgrenzen und des eigenen Körpers als kontrollierbares Objekt“.

Die Grenzerfahrung, die Körperwahrnehmung, der Schmerz, die Hingabe und der Kontrollverlust – das alles begünstigt tranceartige Glückserfahrungen. Dem Schmerz kommt zudem eine den Geist fokussierende Wirkung zu. Eine Art Meditation oder Trance – nicht wenige Bondage-Fans empfinden daher anspruchsvolle und schmerzhafte Hängungen oder besonders enge Fesselungen als befreiend.

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